Seit dem offenkundigen Scheitern der herkömmlichen Wirtschaftswissenschaften in der Finanzkrise von 2008, haben sich die Ökonomen maßgeblich der Verhaltensforschung verschrieben: Als sogenannte „Verhaltens-Ökonomie“ versuchen sie einen Neustart. Vom „Homo Oeconomicus“, dem vernunftgeleiteten Marktteilnehmer, sind wir nahtlos zu Marionetten unseres inneren Schweinehundes geworden, die zu ihrem eigenen Wohl neu „geframt“ (konditioniert) oder „genudged“ (gestubst) werden müssen.
War das Marketing vorher nur eine Nische der Wirtschaftswissenschaften, bestimmt die Wirtschaftspsychologie, eine ausgefeilte Vermessung und Manipulation des Menschen über seine digitalen Daten, heute die Ökonomie. Dabei zielen diese Maßnahmen immer auf unsere unreifen Selbstanteile, auf unsere kindliche Sehnsucht nach einfacher und bequemer Überlegenheit und soziale Aufwertung.
Daniel Kahneman hat 2002 als erster Psychologe den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. In seinen Forschungen konnte er nachweisen, dass Menschen zwar andauernd versuchen Zusammenhänge zu erkennen, um ihr Leben damit besser zu gestalten – doch leider sind viele davon falsch. (Man spricht hier von „unlauteren Kausalschlüssen“ – oder auch Aberglaube.) Denn wir folgen, wie Kahnemann in seinem berühmten Buch „Langsames Denken, schnelles Denken“ (2011) erklärt, nicht einer logischen, unabhängigen Vernunft, sondern sogenannten „Framings“ (engl. Einrahmungen). Das sind „kognitive Schemata“, die zu „kognitiven Verzerrungen“ bei der Bewertung von Ereignissen und Menschen führen. Entscheidungsprobleme durchlaufen demnach eine „assoziativen Maschinerie“ und werden, laut Kahneman, durch eine „Psychophysik des Wertes … gerahmt“. Dabei werden „…verschiedene Präferenzen erzeugt, was dem Invarianzkriterium der rationalen Entscheidungsfindung widerspricht.“ Auf Deutsch heißt das: „Normalsterbliche“, wie Kahnemann uns auch bezeichnet, widersprechen in entscheidenden Alltagshandlungen meist den logisch richtigen Schlüssen – aufgrund narzisstischer Motive.
Letztlich beweist Kahneman mit seinem auf 600 Seiten ausgebreiteten Lebenswerk, was wiederum seit Menschengedenken bekannt ist: Wir irren uns oft in unseren logischen Schlüssen, aufgrund unserer subjektiven Befindlichkeit und Befangenheit.
Doch warum wir uns immer zugunsten unserer narzisstischen Sehnsüchte und Wünsche irren, warum wir immer zum selbsterhebenden Aberglauben neigen und allzuoft entgegen dem „Besser-Wissen-Können“ handeln, darüber macht Kahneman keine Angaben.
Wie wir in der Evolution mit unseren andauernden Fehlschlüssen überleben konnten und welchen Sinn sie also haben müssen, wird auch nicht erwähnt. Und warum einige Menschen dennoch selbstwirksam handeln, weitsichtiger und realistischer entscheiden, ist für die Verhaltens-Ökonomie nicht von Interesse.
Stattdessen wird der Mensch, durch die Begriffswahl Kahnemans, normativ funktionalisiert. Er wird als berechenbar und manipulierbar dargestellt: Mit neuen „Frames“ (Wert-Rahmungen) kann man demnach uns fehlerhafte Verhaltensautomaten von außen und oben kontrollieren.